Frankfurt. Stephan von Ploetz, Leiter des Fanprojekts, wagt einen Blick voraus. Und spricht mit unserem Mitarbeiter Stefan Fritschi über Leverkusen, radikale Tendenzen in der Fanszene und die Beziehung zwischen Fan-Vertretern und der Eintracht Frankfurt AG.
Herr von Ploetz, zum ersten Europacup-Spiel seit knapp sieben Jahren gibt die Eintracht sogenannte "Blind-date-Tickets" aus. Wie heiß sind die SGE-Fans auf Europa?
STEPHAN VON PLOETZ: Sie freuen sich auf die Spiele, egal wie der Gegner heißt und wo es hingeht. Die Leute sind durch und drüber - im Gegensatz zu den Stuttgartern, die gegen Lazio Rom ja nur 20 000 im Stadion hatten. Das Waldstadion wird voll, und auswärts setzen wir das Kontingent ab, was uns zur Verfügung steht - wenn die Stadt nicht so weit entfernt liegt. Wie 2006 Kopenhagen.
Die Sehnsüchte sind also groß. Gibt es aber auch Befürchtungen?
VON PLOETZ: Die meisten Leute wollen nicht unbedingt in den Osten, weil die Gefahr größer ist, dass es weniger Fußball-Event wird, sondern dass man mehr auf sich aufpassen muss. In Osteuropa kann man sich nicht so frei bewegen, weil es dort eine große Klientel gibt, die es den auswärtigen Fans schwer macht, das ist bekannt.
Wollen sich Teile der Fans bei dieser außerordentlichen Gelegenheit in Szene setzen. Gibt es eine Pyroshow?
VON PLOETZ: In Deutschland kennt uns schon jeder, man hat seinen Ruf. Natürlich willst du dir auch in Europa einen Ruf erarbeiten als bunte, lebendige, aber auch toughe Fanszene, das sind neue Herausforderungen.
Stichwort Leverkusen. Fast alle Feuerwerker wurden längst ausfindig gemacht oder haben sich gestellt. Weshalb hat der DFB noch kein Urteil gesprochen? Es ist inzwischen fast ein halbes Jahr vergangen.
VON PLOETZ: Ich finde es schade, dass der DFB noch kein Urteil gefällt hat, da bekommt man das Gefühl, er wartet wieder auf etwas. Bei Stadionverboten werden die Urteile schnell gesprochen. So konterkariert der DFB das, was er im kleinen Zusammenhang gefordert hatte. Das ist nicht nachvollziehbar!
Hat es nach Leverkusen einen Selbstreinigungsprozess in der Fanszene gegeben. Oder ist es nur die Ruhe vor dem Sturm?
VON PLOETZ: Weder noch. Es ist ein Erkenntnisprozess in Gang gekommen: Die Fanszene hat gesehen, dass es so nicht weitergehen kann. Weil die Strafen hoch sind und man weiß, dass man recht sicher identifiziert wird. Der Preis ist einfach zu hoch. Es ist klar, dass sanktioniert werden muss, aber die Strafen müssen transparenter, möglichst einheitlich ausfallen.
Welche der "Fan-Instanzen" steht am besten in Kontakt zum AG-Vorstand?
VON PLOETZ: Alle, die im Fan-Beirat sind wie Ultras, Nordwestkurve e. V., Fansprechergremium und Fanabteilung haben diesen. Die Fan-Beauftragten bemühen sich auch (sie sind Angestellte der Eintracht, d. Red.). Zudem das Fanprojekt in begleitender, beratender Funktion. Es gibt wieder eine lösungsorientierte Gesprächskultur.
Seit 13 Jahren sind Sie im Frankfurter Fanprojekt aktiv. Ist die Beziehung zwischen Fanszene und Eintracht-Vorstand so gut wie nie zuvor?
VON PLOETZ: Vielleicht nicht die beste, aber es ist eine gute Phase. Dazu hat der neue Vize Axel Hellmann beigetragen, der aus der Fanszene kommt. Der Tiefpunkt war beim letzten Abstieg. Als nach der Niederlage in Mainz Fans zum Waldstadion fuhren und es den Schuss eines Polizisten gab, haben viele Fans gedacht, die Eintracht-Verantwortlichen stellen sich nicht hinter ihre Fans. Die Grabenkämpfe danach sind aber längst beendet.
Hat die Erhöhung der Dauerkartenpreise für Fan-Clubs über die Mitgliedschaft nicht für Missmut gesorgt?
VON PLOETZ: Die Fan-Clubs monieren das zu Recht, da sie u. a. ihre Rolle als Integrationsinstanz gefährdet sehen. Andere mutmaßen, dass die Dauerkarten als Vehikel genommen wurden, um die Schulden des Vereins zu kompensieren.
Der Aufschrei war aber kaum zu hören. Hängt das damit zusammen, dass die Dauerkartenpreise für Fan-Club-Mitglieder gering waren?
VON PLOETZ: Es war moderat, zu erhöhen, unabhängig gesehen von den Hintergedanken.
Ist die Frankfurter Fanszene, seit vielen Jahres geprägt durch die Ultras, eine besondere?
VON PLOETZ: Ja! Zu den Ultras ist zu sagen, dass die Frankfurter Ultras schon immer Trendsetter waren, mittlerweile sind aber etwa Gruppen aus Nürnberg, Rostock, Stuttgart, München und auch Schalke genauso maßgebend.
Unterschiedliche Strömungen in der Eintracht-Fanszene gibt es auf jeden Fall. Beim letzten Spiel gegen Wolfsburg kam es zu Schlägereien zwischen links- und rechtsgerichteten Frankfurtern. Wie schätzen Sie diese Gefahr ein?
VON PLOETZ: Das war eine Randerscheinung, die es in großen Fanszenen schon immer gab und immer wieder geben wird. Die überwiegende Mehrheit lässt sich da nicht hineinziehen, bleibt unpolitisch.