Quantcast
Channel: Sport
Viewing all articles
Browse latest Browse all 51228

Triumphfahrt im Abendlicht

$
0
0

Die Tour ist am letzten Tag nur noch Halligalli. So scheint es. Das Peloton gratuliert auf der Bummelfahrt nach Paris dem Gelben Trikot mit Champagner. Die Fahrer plaudern, lachen, scherzen. Auf den Champs-Élysées aber wird es noch einmal bitter ernst. Für die Sprinter und deren Mannschaften. Christopher Froome genießt derweil seine Triumphfahrt im Abendlicht am Arc de Triomphe vor der grandiosen Siegerehrung. Für Marc Cavendish, Sieger der letzten vier Jahre, André Greipel, Marcel Kittel oder Peter Sagen im Grünen Trikot aber geht es um den ganz großen Coup, den für sie bedeutendsten Etappensieg überhaupt.

"Die Champs-Élysées sind das Alpe-d’Huez der Sprinter", sagt Olaf Ludwig (53). "Sie besitzen den gleichen Mythos wie dieser Anstieg für die Bergfahrer. Einfach historisch." Marcel Kittel hat in Paris also wegen des Jubiläums große Geschichte geschrieben: Der 25-jährige Thüringer gewann diese letzte Zielankunft der 100. Tour de France. Sein vierter Etappensieg, vor Greipel und Cavendish.

 

Rekord eingestellt

 

Olaf Ludwig, ebenfalls Thüringer, war 1992 vor Kittel der einzige deutsche Radprofi, der auf dem Pariser Prachtboulevard die Tour als letzter Etappensieger beendete. Rudi Altig siegte 1966 noch im Parc des Princes (erst seit 1975 sind die "Champs" Ziel), Didi Thurau 1977 auf der ersten Halbetappe im Zeitfahren. Mit vier Siegen hat der Shooting Star den deutschen "Rekord" der Ikone Rudi Altig von 1966 eingestellt. Ludwig kann nachvollziehen, was es bedeutet, in der letzten Woche 80 Kilo über das Hochgebirge zu schleppen, sich brutal zu quälen, um nicht aus der Karenzzeit zu fallen und aus der Tour zu fliegen. "Ich habe es im dritten Anlauf geschafft, nachdem ich Dritter und Zweiter war." Bei Erik Zabel fehlen unter seinen zwölf Etappensiegen die Champs-Élysées, über die er nur sechsmal das Grüne Trikot getragen hat.

Wie der Kraftkerl Kittel von der Spitze den Sprint durchzog, hat Ludwig mächtig imponiert. "Dazu gehört eine Menge Selbstvertrauen. Diese Power, dieser Punch - gigantisch", schwärmt Ludwig. "Kittel bleibt immer sehr ruhig, wird nie hektisch und nervös. Das ist neben seiner Kraft seine große Stärke."

Und so hat Marcel Kittel an diesem denkwürdigen Sonntagabend in Paris "ein Ausrufezeichen der neuen Generation" gesetzt, wie Rad-Präsident Rudolf Scharping pathetisch verkündete. Denn die 100. war auch eine Art "Tour des Allemands". Sechs Siege: So erfolgreich war keine andere Nation (Großbritannien fünf). Sechs deutsche Siege wurden zuvor nur 1977 (fünfmal Didi Thurau, einmal Klaus-Peter Thaler) gefeiert. 2013 siegten Kittel (4), Greipel und Tony Martin. Dazu kommen zweite Plätze von Greipel, John Degenkolb und - von der alten Generation - Andreas Klöden (38), als 30. bester der zehn gestarteten Deutschen.

Marcel Kittel, bekennender Anti-Doping-Kämpfer wie auch Tony Martin, blonder Sonnyboy von 1,89 Meter und 86 Kilo, müsste nun eigentlich neuer Medienstar werden. Der intelligente junge Mann jubelte nicht nur ("Das ist einfach geil. Ich bin absolut sprachlos. Da ist mein Traum, der wahr geworden ist) und analysierte den Königssprint ("Es lief perfekt. Meine Beine waren gut, ich konnte richtig durchziehen"). Der schnellste Dominator vergaß auch seine Kumpels im holländischen Team Argos Shimano nicht: "Ich bin stolz darauf, was wir hier zusammen geschafft haben. Das waren harte Tage, in den quälenden Bergetappen im Zeitlimit zu bleiben. Aber dafür gab es eine große Belohnung."




Viewing all articles
Browse latest Browse all 51228