David Rudisha hat bei der Leichtathletik-WM ein straffes Programm vor sich. In der kommenden Woche will der Weltmeister und Olympiasieger in Moskau mehrere Interviews geben, mit kleinen Kindern trainieren und einen Fan-Nachmittag besuchen. Das einzige, was der in Tübingen trainierende Kenianer nicht tun kann, ist beim 800-Meter-Rennen mitzulaufen und seinen dritten großen Titel in vier Jahren zu gewinnen. Denn der am Knie verletzte Rudisha gehört genau wie 100-Meter-Weltmeister Yohan Blake (Jamaika), Hochspringerin Blanka Vlasic (Kroatien) oder auch der deutsche Speerwurf-Titelverteidiger Matthias de Zordo zu den vielen Stars, die diese WM aus den unterschiedlichsten Gründen verpassen.
Für die spektakulärsten Absagen haben dabei die Dopingfahnder gesorgt. Ex-Weltmeister Tyson Gay (USA), der ehemalige Weltrekordler Asafa Powell (Jamaika), 1500-Meter-Olympiasiegerin Asli Cakir Alptekin (Türkei) oder Sprint-Königin Veronica Campbell-Brown (Jamaika) wurden alle im Vorfeld der WM positiv getestet und dürfen deshalb von diesem Samstag an nicht im Luschniki-Stadion starten.
Der Präsident des Weltverbandes glaubt aber trotzdem: «Jeder positive Fall beschädigt die Leichtathletik nicht, sondern macht sie stärker», so Lamine Diack in einem dpa-Interview. «Ich glaube nicht, dass die jüngsten Doping-Fälle ein schwerer Schaden für die Weltmeisterschaften oder unsere Sportart sind.»
Die meisten in Moskau fehlenden Stars sind ohnehin verletzt - wobei es de Zordo mit seinem Achillessehnenriss am schwersten erwischt hat. Beim Siebenkampf sagten binnen zwei Tagen die amtierende Weltmeisterin (Tatjana Tschernowa) und die aktuelle Olympiasiegerin (Jessica Ennis-Hill) ab. Bei der zweifachen Weltmeisterin Vlasic wurden nur zwei Monate nach ihrem umjubelten Comeback die Schmerzen im lädierten Fuß wieder zu stark.
Auch Usain Bolt gehen über 100 Metern die ernstzunehmenden Gegner aus, weil neben den Dopingsündern Gay und Powell auch noch der am Oberschenkel verletzte Blake ausfällt. Der Superstar aus Jamaika hat immerhin einen plausiblen Grund für diese Absagenflut parat: «Wir sind im Jahr nach den Olympischen Spielen», erklärte Bolt. «In der Olympia-Saison pusht sich jeder Athlet bis an sein Limit - das kostet viel Kraft und Energie. Ich persönlich habe das Glück, dass meine Oberschenkel-Verletzung schnell wieder besser geworden ist.»
Die Inflation an großen Meisterschaften macht es einigen Athleten leichter, mal eine WM auszulassen. Mittlerweile finden Welt- und Europameisterschaften im Zwei-Jahres-Rhythmus statt. Selbst wer diesmal in Moskau nicht dabei ist, kann noch einmal Welt- (2015) und zweimal Europameister (2014, 2016) werden, bevor 2016 in Rio de Janeiro die nächsten Olympischen Spiele beginnen.
Folglich sind auch immer weniger angeschlagene Athleten bereit, für einen WM-Start ihre Gesundheit zu riskieren. Die deutsche Hürdensprinterin Carolin Nytra und auch Hochspringerin Ariane Friedrich entschlossen sich dazu, ihre Saison vorzeitig abzubrechen, um erst einmal wieder vollständig gesund zu werden. Nytra ließ sich sogar an der Ferse operieren. «Wir wollen ganz bewusst Entlastungs- und Regenerationssituationen für unsere Top-Athleten schaffen», sagte DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen. «Denn das Ziel ist ja, dass sie auch 2016 in Rio noch ihre Bestleistungen abrufen können.»
Ein ganz besonderer Grund, nicht nach Moskau zu fliegen, heißt Janek und ist erst zwei Monate alt. Er ist der Sohn der tschechischen Speerwurf-Olympiasiegerin Barbora Spotakova, die aufgrund ihrer Babypause auf einen WM-Start verzichtet. Janeks Geburt könnte den Weg für die Diamond-League-Siegerin und Olympia-Zweite Christina Obergföll freimachen, die bei ihrer elften internationalen Meisterschaft endlich den ersten großen Titel holen will. «Es fehlt einfach noch das Gold», sagte sie.