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Tour mit Schandflecken - Die 100. Frankreich-Rundfahrt wird keinen 100. Sieger haben

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Anlässlich ihres 100. Geburtstags 2003 hatte die Tour de France sich euphorisch gefeiert. Nach dem desaströsen Dopingskandal (Festina) 1998 hatte der Krebsbesieger Lance Armstrong die totgesagte Tour zu neuem Leben erweckt. Geradezu hymnisch dankte das Tour-Organ "L’ Equipe" dem texanischen Wunder- und Supermann, dem "unendlich großen Sieger einer großartigen Tour de France", wie Chefredakteur Claude Droussent in seinem Leitartikel schwärmte. Mit seinem fünften Sieg in Folge wurde der 31-jährige Amerikaner im Club der Legenden, der fünfmaligen Sieger Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain, jubelnd willkommen geheißen.

Welch krasser Unterschied der beiden "Centenaires" 2003 und 2013. Anlässlich ihres 100. Starts am heutigen Samstag in Porto-Vecchio auf Korsika muss sich die Tour schämen. Zwischen den beiden Hunderter-Jubiläen liegt eine Dekade der Dekadenz und der Doping-Diktatur des Dominators. Die glorreiche Armstrong-Ära wurde im Nachhinein als Lug und Trug entlarvt. Der größte Radsportler aller Zeiten gilt nach sieben aberkannten Tour-Siegen sowie der Annullierung von Olympia-Bronze 2000 auch als größter Betrüger der Sportgeschichte.

Wie schon die amerikanische Anti-Doping-Agentur entzog auch der internationale Radsportverband UCI als oberste Instanz Armstrong alle nach dem 1. August 1998 gewonnenen Titel und sperrte ihn lebenslang. Zu erdrückend war die Beweislage. Armstrong (41) entschloss sich daher zum Geständnis, zuzugeben, dass er die Welt 14 Jahre lang belogen hatte.

Seit der Jahrtausendwende ist die Zeitrechnung für die Tour ein Dilemma. In der Historie stehen keine 99 Sieger mehr. Die Siegerliste ist zwischen von der 86. bis zur 92. Tour blank. Ewige Schandflecken. Mit den Zweiten als nachrückende Erste dieser düsteren Epoche, mit Alex Zülle (1999), Jan Ullrich (2000, 2001, 2003), Joseba Beloki (2002), Andreas Klöden (2004) und Ivan Basso (2005), hätte die UCI andere Böcke zu Gärtnern gemacht.

Zwei weitere Tour-Erste wurden als überführte Doper nachträglich disqualifiziert, Floyd Landis 2006 und Alberto Contador 2010, der nach zweijähriger Sperre auf Korsika sein Tour-Comeback gibt. Anders als bei Armstrong, wurden die Zweiten jeweils nachträglich zu Siegern erklärt: Oscar Pereiro (2006) und Andy Schleck (2010). Allein die Sieger der 95., 98. und 99. Tour, Carlos Sastre (2008), Cadel Evans (2011) und Bradley Wiggins (2012), gelten - zumindest offiziell - bisher noch als rechtmäßig und makellos.

Beim Rückblick auf die 13 Jahre dieses Jahrhunderts tut sich vor dem Start zur 100. Tour de France ein Abgrund des "Grand Boucle" auf. Das Streckenprofil mit dem Mont Ventoux und zwei Anstiegen an einem Tag nach Alpe d’Huez ist zwar dem 100. Ereignis spektakulär angepasst. Nach der Absage des Vorjahrssiegers Bradley Wiggins fehlen den Favoriten, allen voran dem Briten Christopher Froome (28/Vorjahrszweiter) sowie dem Spanier Alberto Contador (30) als Sieger 2007 und 2009 oder dem Australier Cadel Evans (36), Ausstrahlung, Starstatus und Charisma.

Zehn deutsche Radprofis sind am Start: Der in Frankfurt wohnende John Degenkolb (Gera/24 Jahre/Team Argos), Johannes Fröhlinger (Gerolstein/28/Argos), Marcel Kittel (Arnstadt/25/Argos), Simon Geschke (Berlin/27/Argos), Marcus Burghardt (Zschopau/29/BMC), Andre Greipel (Rostock/30/Lotto), Marcel Sieberg (Castrop-Rauxel/31/Lotto), Tony Martin (Cottbus/28/Quick Step), Andreas Klöden (Mittweida/38/RadioShack), Jens Voigt (Grevesmühlen/41/RadioShack).

Die heutige Auftakt-Etappe der 100. Tour de France bietet für die weltbesten Sprinter eine seltene Gelegenheit auf das Gelbe Trikot. Dazu zählen auch Greipel und Kittel. Jens Voigt ist mit seiner 16. Tour-Teilnehmer nun nationaler Rekordhalter.




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