An einem schwarzen Tag für den weltweiten Radsport sind die Doping-Lebenslügen zahlreicher früherer Topstars entlarvt worden. Wieder geht es um Jan Ullrich - und um Erik Zabel.
Die Doping-Lebenslügen von Jan Ullrich und Erik Zabel sind endgültig entlarvt, die Vergangenheit des Radsports hat sich an einem schwarzen Tag beispielloser Enthüllungen als vollends verseucht erwiesen. Ullrich, Zabel, Marco Pantani, Mario Cipollini und Dutzende weitere Topstars waren bei der Tour de France 1998 mit Epo gedopt. Das ergibt sich aus einem Bericht der französischen Anti-Doping-Kommission vor dem Senat in Paris.
Vor allem die vermeintlich goldene Ära des deutschen Radsports war somit nichts als Lug und Trug. Über Jahre hatten Ullrich, Deutschlands einziger Tour-de-France-Sieger, und Zabel, der sechsmalige Gewinner des Grünen Trikots, ihre Unschuld beteuert. Dabei haben sie offenbar dreist gelogen: Der einstige Saubermann Zabel, als er 2007 unter Tränen verkündete, elf Jahre zuvor ein einziges Mal Epo probiert zu haben - und Ullrich, der fast schon als Lebensprinzip seine Vergangenheit verklärt. Gegen beide liegen erstmals positive Tests vor - das ist der eigentliche Sprengstoff der Pariser Enthüllungen. Auch der frühere Edelhelfer Jens Heppner ist überführt.
Das große Schweigen
Die Ertappten schwiegen sich am Mittwoch zunächst aus. Zabel war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, Ullrichs Berater Falk Nier teilte lediglich mit, dass es "vorerst keinen Kommentar" geben werde. Rudolf Scharping, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer, sagte, die Meldungen seien "ein weiterer Beleg für das verseuchte Jahrzehnt", glaubt aber weiterhin an eine dopingfreie Gegenwart des Radsports: "Für die Gegenwart und die Zukunft des Radsports hat dies keine Bedeutung." Der Pariser Bericht beruht auf 2004 vorgenommenen Analysen 1998 und 1999 entnommener Proben. Damals wurde noch nicht auf Epo getestet, 2004 fielen dann fast alle Nachtests positiv aus. Der französische Ausschuss machte es sich zur Aufgabe, diese anonymen Tests konkreten Fahrern zuzuordnen - ein Stich ins Wespennest.
Rund 60 Athleten, angeblich nicht nur aus dem Radsport, sollen als Betrüger enttarnt worden sein, noch nicht einmal von einem Drittel sind bislang die Namen durchgesickert. Und bereits diese Liste liest sich wie ein Who is who des Profi-Radsports der 90er Jahre: Große Rundfahrer wie Ullrich und der 2004 verstorbene 98er-Gesamtsieger Pantani, Weltmeister wie Laurent Jalabert (Frankreich) und Abraham Olano (Spanien), Sprintstars wie Zabel und Cipollini, Klassiker-Spezialisten wie Andrea Tafi (Italien), und auch der mit 17 Starts Rekordteilnehmer Stuart O’Grady - in allen Bereichen wurde massiv manipuliert.
Spitze des Eisbergs
Lance Armstrong, der vielleicht größte Doping-Betrüger, wirkt plötzlich nur noch wie die Spitze des Eisbergs.
Die Frankreich-Rundfahrt 1998, die nach dem Dopingskandal um das Festina-Team ohnehin als dunkelste Etappe der Tour-Geschichte galt, ist im Rückblick endgültig eine Farce gewesen. Die besten drei des Gesamt-Klassements - Pantani, Ullrich und laut Le Monde auch Bobby Julich (USA) - waren Betrüger. Der Verdacht von damals ist seit Mittwoch Gewissheit.
Ullrich hatte erst im Juni im Gespräch mit dem Magazin "Focus" erstmals überhaupt Doping gestanden - allerdings "nur" Blutdoping. Ja, er habe diese Blutdoping-Behandlungen beim spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes bekommen, sagte Ullrich. Zu umfassenden Vorwürfen des Epo-Dopings, wie sie der ehemalige Betreuer Jef D'hont vor Jahren geäußert hatte, sagte Ullrich nichts.