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Helden für die Ewigkeit - Fußball: Vor 40 Jahren wurde die Spielvereinigung 05 Bad Homburg Deutscher Amateurmeister

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Was für ein Tag! Der 30. Juni 1973 ist in die Annalen des Fußballs eingegangen, aus Taunussicht im Besonderen und in der Historie der SpVgg 05 Bad Homburg im ganz Speziellen. Im Endspiel um die Deutsche Amateurmeisterschaft standen sich auf dem Bieberer Berg in Offenbach die "Nullfünfer" und die Amateure von Bundesligist 1. FC Kaiserslautern gegenüber. Rund 7000 Zuschauer, darunter über 5000 Anhänger der "Nullfünfer", waren Zeitzeugen des bis dato größten Triumphs eines Fußballvereins aus dem Taunus. Mit 1:0 zwang die Spielvereinigung die "kleinen Roten Teufel" in die Knie.

Doch bis zum Titelgewinn an jenem Samstag war es ein langer Weg. Schon einmal griff die Spielvereinigung nach den Sternen - am 25. Mai 1955 als damaliger Hessenmeister im Endspiel der Deutschen Amateur-Fußballmeisterschaft gegen die Sportfreunde Siegen. 15 000 Fans waren ins Stadion nach Wetzlar gepilgert, viele davon aus dem Taunus und voller Zuversicht, dass die Spielvereinigung den vermeintlichen Underdog aus dem Siegerland schlagen würde. Am Ende kam es anders. Die wie entfesselt spielenden Sportfreunde überrollten die Bad Homburger mit 5:0 und durften feiern. 18 Jahre später sollte wieder der Außenseiter jubeln, diesmal aber war es die Spielvereinigung 05 Bad Homburg!

 

Der Weg ins Endspiel

 

Nach dem Aufstieg in die Hessenliga und dem zweiten Platz hinter dem FSV Frankfurt liebäugelten anno 1973 nicht nur die Optimisten im Homburger Lager mit dem Gedanken, die Nachfolge der Bornheimer, 1972 Deutscher Amateurmeister geworden, anzutreten. Dieses Ziel rückte in der Qualifikationsrunde nach dem 1:1 und 4:0 gegen den Karlsruher FV, dem Weiterkommen in der Zwischenrunde (0:2 und 3:1 gegen den ASV Bergedorf) und im Halbfinale (2:1 und 1:1 gegen den ESV Ingolstadt) in greifbare Nähe. Als die 05er nach dem schwer erkämpften Remis in Ingolstadt den Einzug ins Finale perfekt gemacht hatten, wurden sie nach ihrer Rückkehr im überfüllten Clubheim an der Sandelmühle begeistert empfangen. Für die enthusiastischen Fans war klar: Diesmal würde die Trophäe nach Bad Homburg kommen!

 

Akribische Vorbereitung

 

Für Dienstag, 26. Juni, und Donnerstag, 28. Juni, also in der Woche vor dem großen Finale am 30. Juni in Offenbach, ordnete 05-Spielertrainer Wolfgang Solz ein jeweils einstündiges leichtes Training an, ehe Spieler und Betreuer am Freitag, 29. Juni, nach Lämmerspiel aufbrachen, um dort am Vorabend des großen Finales Quartier zu beziehen. Die letzten Stunden vor dem Endspiel gegen das junge Lauterer Team (mit einem Altersschnitt von 20 Jahren) wurden generalstabsmäßig geplant: Samstag, 9 Uhr, Frühstück. 10.15 Uhr: kleiner Spaziergang. 11 Uhr: Spielerbesprechung. 12 Uhr: leichtes Mittagessen. 13 Uhr: Bettruhe. 14.30 Uhr: Abfahrt zum Stadion.

 

Ein Kopfball ins Glück

 

Und dann kam das Spiel der Spiele! Bis zur 77. Minute des Spiels hieß es 0:0. Die Spannung stieg.

Dann, Punkt 17.46 Uhr, großer Jubel im Stadion und bei den zahlreichen Anhängern der 05er, die das Spiel vor dem Radio erlebten: Helmuth Reidel hatte eine Maßflanke von Norbert Sauer nach Vorarbeit von Solz zur 1:0-Führung eingeköpft! Die Schlussviertelstunde bis zum Abpfiff durch den Bonner Schiedsrichter Walter Eschweiler glich einer halben Ewigkeit. Dann, endlich, Schluss. Aus! Die Spielvereinigung 05 Bad Homburg hatte es endlich geschafft. Deutscher Meister im Amateurfußball 1973!

Ganz Bad Homburg stand kopf. Sie bereiteten ihren "Helden vom Bieberer Berg" am nächsten Tag in der Kurstadt einen großartigen Empfang. Schon um 9 Uhr war der Kurhausvorplatz mit Fahnen schwingenden und singenden Fußballanhängern aus nah und fern gefüllt, die voller Ungeduld auf das Eintreffen der Mannschaft warteten. Um 11 Uhr war es dann endlich so weit: Unter Fanfarenklängen, begleitet von Jugendfußballern und Aktiven des Bad Homburger Reit- und Fahrvereins, zog ein Vierspänner vom Untertor kommend mit den Heroen durch die Fußgängerzone bis zum Kurhaus. Wohin man auch blickte: unbeschreiblicher Jubel am Straßenrand, blau-weiße Vereinsfahnen und überall blumengeschmückte Häuser, galt es doch, den erfolgreichen Recken vom Bieberer Berg Reverenz zu erweisen.

 

Loweg wird gefeiert

 

Bürgermeister Dr. Klein hielt seine Laudatio auf die "beste Fußballmannschaft, die es jemals in Bad Homburg gegeben hat". Er rief jeden Spieler auf und würdigte dessen Verdienste, ohne dabei jene zu vergessen, die vor und hinter den Kulissen zur Meisterschaft beigetragen hatten.

Als das Stadtoberhaupt Spielertrainer Solz und Mannschaftskapitän, Keeper Karl Loweg, als die "Väter des Sieges" pries, wollten die Beifallsstürme und skandierten Sprechchöre "Karl, du bist der Allergrößte!" kein Ende nehmen.

Der 35-Jährige kämpfte mit den Tränen und bekannte, er fühle sich in diesem Moment so jung wie ein 20-Jähriger. Derweil warteten von Gönnern gespendete tausend Liter Freibier auf durstige Kehlen und unzählige heiße Würstchen auf hungrige Mägen.

Der ebenfalls mit Sprechchören gefeierte Vereinspräsident Günter Goers verkündete emotional: "Die Spielvereinigung wird auch künftig Bad Homburgs Namen glorreich in die Lande tragen."

Ganz zur Freude der Fans, die ihre Helden trotz sengender Hitze bis in die späten Abendstunden feierten.

 

Noch zwei Mal im Finale

 

Autogramme der Spieler standen in jenen Stunden und Tagen hoch im Kurs. Davon ist der Verein heute meilenweit entfernt. Denn der 30. Juni 1973 sollte der größte Moment in der langen Historie des Vereins bleiben. Zwei Mal erreichte der Club noch das Amateurmeisterschaftsfinale - beide Male verlor er, zunächst am 17. Juni 1989 mit 5:6 nach Elfmeterschießen gegen Eintracht Trier, dann am 13. Juni 1992 mit 2:3 gegen Rot-Weiß Essen. Wenig später zeichnete sich das Ende eines Höhenflugs ab, als der inzwischen chronisch klamme Traditionsverein in den Niederungen des Amateurfußballs verschwand.

Nach mehrfacher Namensänderung firmiert der Club heute unter Spielvereinigung 05/99 Bomber Bad Homburg und ist nach dem Abstieg aus der Gruppenliga vor wenigen Wochen nur nur noch in der Kreisoberliga Hochtaunus zu finden. Umso mehr erinnern sich die Fußballfans gerne an vergangene Tage, wie an jenen 30. Juni 1973.




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